Maria Tacke

YOGA...

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...oder die Frage: worum geht es eigentlich?

Das Yoga hat es nun also zweifelsohne in den Mainstream geschafft, es sprießt an allen Ecken und zwischen Fitness-Workout und Lifestyle bis hin zum ganzheitlichen Erleuchtungsweg wird jeder Suchende mit einer Vielzahl an Wegen und Praktiken bedient. 

Doch worum geht es eigentlich in diesen Zeiten? In einem Zeitalter, das mehr denn je nach einer vollen Menschwerdung ruft, um auf das, was uns als Menschen gerade begegnet, mit einem kraftvollen Entwicklungsschritt in ein Leben und eine globale Mencshengemeinschaft der Verbundenheit zu beantworten?

Was ist meiner eigener, individueller Wachstumsimpuls in einem Dschungel von Möglichkeiten, dem die westliche Komsumindustrie schön Futter gibt und vielen Menschen aufgrund des spirituellen Materialismus, der unsere gesamte Gesellschaft durchzieht, wenig Boden schenkt für einen authentischen Weg der Menschwerdung.

Das Yoga, das uns unseren Körper und unser Innen auf so unmittelbare Weise erfahren lässt, ist ein wunderbarer Weg der Praxis. Je tiefer und heilsamer unsere Beziehung zu unserem Körper wird und wir ihn wirklich genießen können, desto mehr wird er uns offenbaren und zeigen.

Eine Psychologin sagte vor einigen Jahren mal den Satz „A Bird doesn’t want to be a better bird. He is a bird.“

Diese Worte gingen mir sehr nach und ließen mich zu dem Verständnis kommen, dass es irgendwo zwischen dem tief liegenden Impuls nach Entwicklung zu mehr Lebendigkeit, Verbundenheit und wacher Lebensfreude auf der einen Seite und permanenter Selbstoptimierung auf der anderen einen goldenen Mittelweg geben muss, der uns in der Tiefe Mensch sein lässt und zum Menschen macht.

Dies erfordert ein Unterscheidungsvermögen zwischen einem guten evolutionären Druck, der mich in mein volles Potenzial einladen möchte oder dem in der neuen spirituellen Szene verbreiteten Gutmenschtums, die einen riesigen Markt an Methoden und Praktiken anbietet, etwas zu erreichen, von dem wir gehr nicht wissen, ob wir das wollen oder ob das die Richtung ist, um die es in diesen Zeiten gerade geht.

Wenn unser eigener Fokus klar ist und wir in der Tiefe lauschen, dann öffnet sich der Weg. Das Yoga ist nur einer von vielen Wegen und wir leben in einer Zeit, in der der ganzheitliche Yogaweg in unser heutiges Leben übersetzt werden möchte.

Das Yoga der Beziehung allein und die damit einhergehende Frage, wie ich in Freundschaft, Partnerschaft und dem Leben in alle seinen Formen sein möchte, ist in sich schon ein unendlich weites Feld von Praxis, Entwicklung, achtsamer Kommunikation und genauem Hinschauen auf erlernte soziale Muster und Überlebensstrategien, dass wir hier schon unendlich viel Zeit, Aufmerksamkeit und Selbstreflexion anwenden können, um unserem Leben die Tiefe, Anbindung und Ausrichtung zu geben, nach der wir uns sehnen und für die wir in dieses Leben eingetreten sind.

Ich erwähne diesen Aspekt bewusst, denn im Bereich unserer Beziehungen zeigt sich, wie sehr wie als Menschen erleuchtet sind oder ob es eben gerade um die kleinen Schritte der Menschwerdung geht, das immer wacher werdende Herz, dass in der Lage ist, sich auf das leben zu beziehen. Resonse-ability, die Fähigkeit, auf das Leben zu antworten – setzt voraus, dass ich nicht in einer isolierten pseudo-Erleuchtungsblase auf das große Erwachen warte.

Das ist genau das, was uns die Boddhisattvas lehren, ihre Arbeit ist erst dann getan, wenn sie auch dem letzten Menschen auf seiner Suche eine Hand gereicht haben, um über die Brücke in ein erfülltes, waches, bezogenes Lebens zu gehen. Denn die Zeiten in denen wir leben, sind Zeiten des intersubjektiven Erwachens, es geht nicht mehr um mein Erwachen, sondern das Erwachen von Maitreya, der Buddha der Zukunft, der die erwachende Gemeinschaft symbolisiert.

An dieser Stelle habe ich es als wichtig erlebt, die eigenen Möglichkeiten und Grenzen immer wieder aufs Neue zu erspüren und auszutesten, wenn wir den individuellen und kollektiven goldenen Weg zwischen heilsamer, notwendiger menschlicher Entwicklung und übertriebener Selbstoptimierung gehen wollen. Doch wo findet diese Entwicklung statt? Unser materialistisch reduktionistisches Weltbild entwirft immer wieder von Neuem das alte Paradigma von linearer Entwicklung: wenn ich jetzt dies tue, werde ich irgendwann dort ankommen und sein und das übertragen wir dann auch auf unsere spirituelle Praxis und verpassen den Moment, wenn der Löwenzahn in seiner vollen Schönheit uns anlächelt.

Der einzige Weg, der mich bisher heilen und entfalten ließ, ist das tiefe Anerkennen des gegenwärtigen Momentes – jetzt und hier, präsent fühlend, was in Körper, Gefühlen und Herzgeist sich zeigen möchte und dabei annehmen, was ist – die Freude wie den Schmerz, ausgelassene Schönheit wie tiefe Trauer.

Manche Menschen scheinen schneller voran zu schreiten auf dieser Ebene von Entfaltung als andere und auch davon gilt es sich zu lösen. Denn auf der Ebene von Zeit existiert dieses Wachsen nicht und wir kennen das Karma des anderen nicht. Wir haben alle ein individuelles Tempo und manch einer braucht vielleicht zwei oder drei Inkarnationen mehr. Viel wichtiger ist die Frage: Bin ich noch auf meinem Seelenweg und in Verbindung mit meiner inneren Bestimmung? Wenn nein, wo braucht es eine klare Ausrichtung, Veränderung und ein Loslassen, machmal vielleicht auch etwas radikaler und wo habe ich Kompromisse gemacht, um schmerzhafte Gefühle in mir zu vermeiden oder die Wahrhaftigkeit und Liebe für Selbstbilder zu opfern?

Viele Wege können uns in dieser Frage unterstützen und wir haben das Glück, dass uns Menschen voraus gegangen sind, sodass uns heute eine Fülle an Einsichten und Verständnis zur Verfügung steht.

Das Yoga ist einer davon und ich bin immer wieder dankbar, dass ich das Yoga auf der Grundlage meines eigenen Weges, der im wesentlich vom Geist der Achtsamkeit geprägt wurde, mit euch teilen darf.

Danke, danke danke!